Meine Empfehlung an all meine Leserinnen: besorgt euch diese Kopie, lest die Akte intensiv durch und googelt die Befunde. Ich habe das gestern nach Feierabend bis tief in die Nacht getan. Vielleicht war es nur bei mir so, aber ich habe mit dieser Kopie endlich mal all meine Befunde und Behandlungen verstanden und fühle mich nun wie ein mündiger Patient. Und hier und da bin ich auf Werte gestoßen, die mich ein wenig irritiert haben. Zum Beispiel der AMH-Wert.
In meiner Klinik teilte man mir bspw. immer mit, dass ich einen AMH-Wert von 5 hätte. Aufgrund dieser vermeintlichen Ausgangslage sind meine Ärzte immer davon ausgegangen, dass ich eine Überstimulations-Patientin bin. Aus diesem Grund wurde immer wieder das Antagonistenprotokoll und die jeweiligen Medikamente ausgesucht. Nun lese ich in den Blutergebnissen, dass mein AMH nur bei 3 lag. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Vermutlich wurde der Wert aus dem Blutbescheid falsch in das Überblicks-Blatt meiner Patientenakte übertragen! Ich habe die "5" ständig auf diesem Blatt gelesen und meine Ärztin hat diesen hohen Wert auch jedes Mal betont.
Die Patientenakte ist das eine, die zweite Meinung habe ich mir natürlich auch geholt.
Heute hatte ich dann die Möglichkeit mit einem Reproduktionsmediziner in Österreich zu telefonieren. Dieser Mediziner ist mit jemandem aus meinem Freundeskreis verwandt und hat uns angeboten uns unentgeltlich zu beraten. Dieses Telefonat hat mein Vertrauen in unsere KiWu-Klinik erschüttert.
Dank der Patientenakte konnte ich dem Mediziner ausführlich Auskunft erteilen. Und nach und nach stellte sich heraus, dass meine Klinik nicht optimal agiert hat.
Kurz nach meinen ELSS habe ich - im Sommer 2014 - die kompletten Blutuntersuchungen in meiner Klinik vornehmen lassen. Hier wurde der AMH-Wert von 3 festgestellt. Der Mediziner meinte, dass dieser AMH-Wert zum damaligen Zeitpunkt für mein Alter schon nicht so super gewesen sei wie es die Klinik behauptet hat. Meine erste Behandlung hatte ich erst wieder im September 2015. Da diese erste Behandlung schon nicht so gut verlaufen ist, hätte man danach noch einmal den AMH, aber auch andere Werte, erneut testen lassen müssen. Spätestens nach der zweiten schief gelaufenen Behandlung hätte man aufmerksam werden müssen und die damaligen Hormon-Werte alle noch mal testen lassen müssen. Denn ab 35 Jahre können sich diese Werte rasant ins negative entwickeln und eine andere Behandlung erforderlich machen. Aber stattdessen erfolgte die dritte Behandlung - im gleichen Protokoll, mit den gleichen Medikamenten.
Der Mediziner vermutet, dass sich meine Hormonwerte bereits deutlich verschlechtert haben - weshalb ich auch so schlecht auf die (vielleicht falsche?) Behandlung reagiert habe.
Als ich ihm erzählt habe, dass meine Ärztin nun das Longprotokoll plant, war er etwas entsetzt. Sollten sich meine Werte tatsächlich verschlechtert haben, könnte ich das Geld für die ICSI auch direkt verbrennen. Denn dann würde das Longprotokoll zu einem noch schlechteren Ergebnis führen. Man kann es eigentlich schon als grob fährlässig bezeichnen, dass meine KiWu für ein Protokollwechsel vorab meine Blutwerte nicht überprüft.
Meine Ärztin erwähnte beim letzten Gespräch ja auch, dass mein Gestagen bzw. Progesteron-Wert am Ende der Stimulationsbehandlung kritisch gewesen sei. Ich habe dem Arzt daher mal alle Progesteron-Werte meiner 3 ICSIs mitgeteilt. Bei meiner ICSI No. 3 hätte er auf gar keinen Fall einen Transfer durchgeführt und bei ICSI No. 2 vermutlich auch nicht. Die Progesteron-Werte waren so hoch, dass die Möglichkeit einer Einnistung sehr gering war.
Am Ende des Gesprächs war ich am Boden zerstört. War das ganze letzte Jahr mit all den Behandlungen für die Katz? Die ganzen Hormone, die ganzen OPs, die ganzen gesetzten Spritzen und blauen Flecken, die ganzen Streitereien mit meinem Mann aufgrund der Hormone, die ganzen "Depressionen" nach den Negativs, die ganzen Lügen auf der Arbeit, die Belastung - für nichts?
Ich weiß gerade nicht, wie ich mit diesen Informationen umgehen soll. Soll ich mich jetzt freuen, weil es vielleicht eine Antwort auf das "Warum?" und vielleicht sogar eine Lösung gibt? Oder soll ich wütend darüber sein, dass ich permanent falsch behandelt wurde? Soll ich traurig darüber sein, dass ich unnötig ein ganzes Jahr für Nichts verloren habe?
Was soll ich da jetzt bitte fühlen? Wie soll ich damit umgehen?
Wie geht es jetzt weiter?
Der Arzt hat mir angeboten, dass er mir eine Behandlung empfiehlt. Dafür müsste ich allerdings bestimmte Blutwerte bestimmen lassen (ca. 20 Werte). Ich werde jetzt zu meiner Frauenärztin (nicht aus der KiWu) gehen und sie fragen, ob sie diese Blutwerte für mich bestimmen lassen kann.
Sobald die Blutwerte da sind, schicke ich ihm alle Unterlagen zu und werden noch einmal telefonieren.
An alle KiWu-Frauen da draußen, die schon mehrere Negativs kassiert haben: Holt euch unbedingt eine Zweitmeinung ein. Vertraut den Ärzten nicht blind.
Ich bin nicht in irgendeiner kleinen Hinterhofklitsche in Behandlung. Nein, ich bin in der modernsten und renommiertesten Klinik in meiner Stadt in Behandlung. In meinem Freundes-/Bekanntenkreis waren viele dort in Behandlung und alle hatten Erfolg. Und trotzdem ist das hier mit mir passiert! Ärzte sind auch nur Menschen und machen Fehler. Leider.
Ich bin für heute durch und melde mich die Tage wieder. Das alles muss ich erst einmal verarbeiten...