Samstag, 18. Juli 2015

Definition der Angst

Mit der Entscheidung, jetzt nun doch zu heiraten ist ein riesiger Brocken von meinen, nein unseren Schultern gefallen.
Zu wissen, dass man nicht in ein finanzielles Loch stürzt und sein Leben vorerst weiter so leben kann wie bisher, entspannt ungemein. Auch das Wissen darum, dass man nach drei fehlgeschlagenen - von der KK zu 100% bezahlten Versuchen - evtl noch Geld für ein oder zwei selbst finanzierte Versuche hätte; sofern man das denn dann noch wollte.

Erst nach der Entscheidung für die Heirat habe ich gemerkt, wie sehr mich die finanzielle Komponente belastet hat. Und erst jetzt merke ich, dass da aber auch weiterhin eine riesige Anspannung vorliegt wegen der ersten ICSI. Die Belastung wegen der Finanzierung kam also noch on top zu der eigentlichen Belastung. Kein Wunder, dass ich deswegen nicht mehr gut schlafen konnte.

Ich habe so eine scheiß Angst vor dieser ICSI - das könnt ihr euch gar nicht vorstellen (oder doch?).
Und erst durch eine Frage an Isa (Wonderland), die mir  durch ihren tollen Kommentar die Augen geöffnet hat, ist mir das und einiges andere erst überhaupt klar geworden (Danke Isa, du bist wirklich ein Schatz!).

Seit Monaten merke ich, wie ich zu einem eiskalten und gefühllosen Klotz werde, mich von anderen abwende und andere es immer schwerer haben, an mich ranzukommen. Ich bin und denke nur noch rational, die Gefühlskomponente lasse ich oftmals aus. Ich bin ein komplett anderer Mensch geworden. Das letzte Jahr hat mich komplett umgedreht. Denn ich wurde eigentlich immer sehr für meine Offenheit und Herzlichkeit geschätzt. In einem Gruppencoaching sollten alle Teilnehmer nach einer ersten kurzen Gruppenarbeit, jeden einzelnen TN mit vier Wörtern beschreiben. Jeder dieser TN hat mir damals die Attribute Offenheit und Herzlichkeit  zugesprochen.
Jemand, der mich jetzt kennenlernen würde, würde diese Attribute vermutlich nicht nennen, wenn er mich beschreiben müsste. Vermutlich würden eher solche Attribute genannt "verschlossen", "distanziert", "berechnend". 
Ich fand das für einige Zeit ganz toll, mich endlich in eine vermeintlich souveränere Richtung entwickelt zu haben. Ich hatte mir immer gewünscht, dass ich manchmal nicht so vertrauensselig (fast naiv?) wäre und mein Herz nicht immer auf der Zunge hätte. Aber genau das war es, was mich zu einem glücklichen Menschen gemacht hat und warum andere Menschen mich gerne kennengelernt haben und mit mir befreundet sein wollten. Heute mache ich es den Menschen nicht leicht mit mir in Kontakt zu treten. Auf Dauer macht das einsam.

Ich kann mich aber nicht die ganze Zeit in meinem Schneckenhaus verstecken, nur weil dadurch der Schmerz weniger oder gar nicht spürbar ist. Meine Sternenkinder sind nun mal meine Realität. 
Und ja, es kann (wieder) passieren; 
- dass sich wieder ein Embryo am falschen Ort einnistet;  
- dass sich ein Embryo entschließt mich zu verlassen, bevor er geboren wird; 
- dass das Kind tot zur Welt kommt; 
- dass es vielleicht krank zur Welt kommt und nicht lange leben wird; 
- dass ich vielleicht gar nicht schwanger werde. 
- .... Oder, dass einfach alles gut geht.

Aber ich muss da jetzt raus aus diesem Schneckenhaus, tief ein- und ausatmen, all meinen Mut zusammen nehmen und dem Leben die Hand reichen. So kann das einfach nicht weitergehen! 

Das Leben wirklich zu leben bedeutet 
- Gefühle zuzulassen;
- Schmerzen zu spüren und hinnehmen zu lernen;
- hinzufallen und wieder aufzustehen;
- Ängste zu haben;
- sich den Ängsten zu stellen;
- sich auch mit schlechten Menschen auseinandersetzen zu müssen;
- generell: sich mit unschönen Dingen auseinandersetzen zu müssen - auch, wenn es weh tut;
- unschöne Dinge aushalten zu können;
- aushalten lernen;
- Trauer zuzulassen;
- Ängste zuzulassen;
- Wut zuzulassen;
- Schreien zu dürfen, wenn es weh tut;

... nicht vor allem wegzulaufen, 
- vor dem Leben;
- vor dem Hier und Jetzt;
- vor den Ängsten;
- vor der Trauer;
- vor der Zukunft!

Stehen bleiben! 
Aushalten! 
Weiter gehen... 
Das ist das Leben;