Montag, 29. August 2016

Nix is ok

Gerne hätte ich euch nach so einer langen Blogpause geschrieben, dass die Welt wieder wunderbar ist. Aber das ist sie nicht. 

Drei erfolglose ICSIs haben mich an einen Punkt gebracht, der mich zutiefst unglücklich macht. Jetzt aber mal von vorne, wie ich zu diesem Tiefpunkt gelangt bin.

Mein Zyklus nach der erfolglosen ICSI hat ganze und unerträgliche 50 Tage angedauert. In diesen 50 Tagen ging es mir so unbeschreiblich hundsmiserabel. Ich war jeden Tag so unendlich müde, kraftlos und fühlte mich ausgelaugt und ausgesagt. Meine Haut ist komplett ausgetrocknet und meine Haare fühlten sich mit jedem Tag immer mehr wie Stroh an. Letzte Woche kam dann leider auch die Abrechnung: es mussten ca. 12 cm abgeschnitten werden, weil sie nicht mehr zu retten waren. Wenn ich noch weitere erfolglose ICSIs habe, gibt es auf meinen Kopf bald keine Haare mehr.

Meine KiWu-Ärztin meint natürlich, dass dies nicht zwangsläufig mit der Behandlung zu tun haben muss. Ist natürlich ein ganz blöder Zufall, dass es mir nach jeder ICSI immer sehr schlecht geht und meine Haare ruiniert sind. Is klar, ne?

Ich bin immer noch nicht richtig fit und fülle bereits seit drei Wochen akribisch meine Speicher auf - mit hochdosierten Eisen, Vitamin D, Selen, Omega 3, Folsäure. Das sind die typischen Nährstoffe, die bei Hashimoto als erstes leer gehen. Ich vermute ganz stark, dass mein Hashimoto die ganzen Behandlungen alles andere als witzig findet und ich deswegen auch so starke Nebenwirkungen haben.

Letzte Woche war ich wegen meinem Hashi auch beim Hausarzt. Ja, meine Schilddrüse könnte noch ein wenig mehr L-Thyroxin vertragen. Aber die ganzen Symptome, die ich beschreibe sind typisch. Typisch von Patientinnen, die bereits mehrere erfolglose IVF/ICSIs hinter sich gebracht haben. Die KiWu-Patientinnen in seiner Praxis haben oftmals die gleichen Symptome wie ich und denken, dass es von der Schilddrüse kommt. Und mit jedem Versuch werden die Symptome auch bei ihnen schlechter. Er hat mir nun geraten, vielleicht mal eine längere Pause einzulegen. Wenigstens noch einen oder zwei Monate länger. Schließlich muss mein Körper wenigstens die Chance haben, sich wieder zu erholen. Und dann - er hat das echt sehr, sehr vorsichtig ausgedrückt - erhöht sich ggf. auch meine Chance auf Erfolg. Ein ausgelaugter Körper lässt vielleicht weniger zu, dass sich ein Baby einnisten kann. Ich muss gestehen, dass diese Aussage meines Arztes echt saß. Hat er vielleicht sogar recht? Meine KiWu-Ärztin meint, dass zwei Monate Pause ausreichen. Aber stimmt das so?

Und dann habe ich in meinem Freundeskreis ja auch noch das Angebot erhalten, dass ein Repro-Mediziner sich meine Akte mal anschaut. Über das letzte Telefonat habe ich euch berichtet. Problem war da allerdings, dass er meine Akte da nicht gelesen habe und er alle Infos nur von mir erhalten hat. Na ja, was soll ich sagen - ich bin halt kein Arzt und habe manches wohl nicht ganz korrekt verstanden und daher auch falsch mitgeteilt. Fazit ist: meine Klinik hat nix falsch gemacht. Und er sieht in all meinen Blutwerten auch keinen Grund für das bisherige Versagen. Auch er geht davon aus, dass es theoretisch klappen müsste. Er unterstützt auch die geplante nächste Behandlung, sowohl in Bezug auf das Protokoll (wobei er das Antagonistenprotokoll bevorzugt) als auch in Bezug auf die Medikation (wobei er statt Gonal F + Luveris) eher Menopur verwenden würde. Zudem vermutet er bei mir PCO aufgrund des ständig steigenden AMH-Wertes und der FSH und LH-Werte. Meine Ärztin verneint dies allerdings, weil alle anderen Faktoren für PCO bei mir nicht zutreffen (Gewicht, Haarwuchs, Keine Zysten im US etc).
Mein AMH-Wert liegt aktuell bei 8 - nur zur Erinnerung: ich stehe kurz vor dem 38. Geburtstag...

Tja, und zu guter Letzt leidet meine Ehe gerade extremst unter dieser Situation. Sie leidet so sehr darunter, dass es letzte Woche beinahe zur Trennung gekommen wäre. Diese Situation bringt uns beide an unsere Grenzen. Die Vorstellungen von unserem (gemeinsamen) Leben haben sich durch die veränderte Situation drastisch verändert. Ich ziehe mich zurück, weil mein gesamter Freundeskreis nur noch aus Jung-Eltern besteht. In seinem Freundeskreis ist das auch so - allerdings hat er sich jetzt neue "Freunde" gesucht. Diese sind ca. 20 Jahre älter als ich. Leute, die nicht alt werden können, obwohl sie Kinder in der Pubertät haben. Ich mag sie nicht, weil sie alle einen sehr extrovertierten Lebensstil führen, mit viel Alkohol und anderem Mist. Er fühlt sich davon magisch angezogen. Mich kotzt es an. Und das führt zu ständigen Streitereien und miesen Machtkämpfen. Bis ich den Film "Gefühlt Mitte Zwanzig" gesehen habe, bei dem mir so einiges über unsere Beziehung klar wurde. 

Das Paar in diesem Film ist ungewollt kinderlos und hat sich vermeintlich von dem Kinderwunsch verabschiedet. Da sie keine Gemeinsamkeiten mehr mit ihren Freunden haben (auch Kinder), freunden sie sich mit einem viel jüngeren Pärchen an, das keine Kinder hat. Er passt sich dem Lebensstil des jüngeren Paares an und genießt diesen neuen Lifestyle. Sie findet das irgendwie komisch. In dem Film geht es in erster Linie noch um andere Themen, aber diese ungewollte Kinderlosigkeit ist ein wichtiges Element, das immer wieder aufpoppt und Grund für aktuelle Lebenssituation ist, für das aktuelle "Nicht-Vorankommen" auch in den anderen Lebensthemen. Das Paar gehört nirgendwo mehr dazu - und zu dem neuen jungen Pärchen eigentlich auch nicht, weil die ja viel jünger sind und die Kinderplanung ja auch bald ansteht. Sie hängen da also fest, in einer ätzenden Situation - und plötzlich kommt das Kinderwunsch-Problem in einem heftigen Streit wieder auf. Und es kommt heraus, dass da noch gar nichts abgeschlossen war und wie sehr sie beide darunter leiden. Der Film ist eigentlich gar nicht gut, aber irgendwie doch. Er beschreibt gerade komplett meine/unsere Lebenssituation. 
Die Ehe bröckelt, man ist unzufrieden mit dem Leben, hängt irgendwo in einer Zwischensphäre, weil man nirgendwo dazu gehört, mit dem Job geht es auch nicht vorwärts, und auf die Baby-Gespräche und die Lebensinhalte der vormals besten Freunde kann man getrost verzichten. 

Dieser Film hat mir die Augen geöffnet - und vermutlich meine Ehe gerettet. Er hat ganz viele Denkprozesse angeregt und erst einmal zu einem noch größeren Streit geführt (der fast zu einer Trennung geführt hätte), aber nach mehreren weiteren und konstruktiveren Streitgesprächen, geht es gerade (hoffentlich) wieder in die richtige Richtung. Dieser beschissene Kinderwunschweg hat uns verändert, hat unsere Lebensplanung verändert und unser Bild von unserem Wunsch-Leben verändert. Das haben wir nun begriffen. Nun müssen wir lernen, mit diesem veränderten Bild umzugehen und zu leben.

Nein, nix ist gut. Gar nichts ist gut. Mein Leben sollte ganz anders verlaufen.
Und nun liege ich hier im Bett, mit kurzen Haaren, einer schlecht gelaunten Schilddrüse (die gerade neu eingestellt wird und mich richtig ärgert), einem ausgelaugten Körper, einer angefressenen Psyche und einer fast gescheiterten Ehe. Na herzlichen Dank.
Liebe KiWu-Kliniken - das erwähnt ihr nicht in euren Hochglanzprospekten... solltet ihr aber vielleicht mal.

Wir fahren bald in Urlaub und dort entscheide ich mich auch, wann es mit der nächsten ICSI weitergehen soll. Daher wird es hier vermutlich wieder stiller sein. Macht es gut - und bis demnächst.