Donnerstag, 28. April 2016

Die Absurdität der Dinge

Kurz bevor ich das erste Mal schwanger wurde, war mir klar, dass ich bei meinem aktuellen Arbeitgeber nicht bleiben möchte. Zu wenig Geld, zu wenig Entwicklungsmöglichkeiten und die Kolleginnen in meiner Abteilung waren ja auch alles andere als sympathisch. 
Der absurde Werdegang meines Kinderwunsches zwang mich jedoch dazu, diesen Job zu behalten. Es gab viele Tage und Wochen, an denen ich mich heftigsten Bauchschmerzen zur Arbeit gegangen bin. Das Ganze wurde auch noch schlimmer, weil ich um den Zwang wusste, der auf diesem Job lag. Aufgrund der Kinderwunsch-Behandlung konnte ich nicht wechseln. Zum einen, weil ich nicht wusste, ob ich direkt schwanger werden würde und zum anderen auch deshalb, weil so eine Kinderwunschbehandlung sehr viel Zeit frisst und einen wohlwollenden Arbeitgeber erfordert. Ein neuer Arbeitgeber würde vermutlich wenig Verständnis dafür haben, dass ich an vielen Tagen sehr spät zur Arbeit komme (an manchen Tagen musste ich zwei Stunden in der KiWu-Klinik warten). Und bestimmt noch weniger Verständnis, wenn ich dann auch direkt noch schwanger werden würde, obwohl ich doch erst angefangen hätte.
Nun ja, wie ihr wisst bin ich trotz zweifacher ICSI bislang nicht schwanger geworden. Entsprechend hätte ich eigentlich auch den Job wechseln können. Hinterher ist man immer schlauer. 
Ich habe zum Glück einen ganz tollen Coach, mit dem ich über meinen Kinderwunschweg und meinen Ärger im Job gut reden kann. Mit diesem Coach bin ich dann all diese Fragen durchgegangen. Was möchte ich wirklich? Worauf möchte ich mich in meinem Leben jetzt konzentrieren? Wie viel Energie bin ich bereit für einen neuen Job zu geben? Möchte ich mir wirklich diesen doppelten Stress antuen und mich auf einen neuen Job einlassen, während ich in dieser anstrengenden Behandlung stecke. Mein Coach hat mir dringend geraten, eine für mich saubere Entscheidung zu treffen. Und egal, welche Entscheidung ich auch treffe, sie wird zu diesem Zeitpunkt die richtige sein. Und deshalb habe ich diese auch zu akzeptieren und dann auch nicht mehr zu hinterfragen. Und das habe ich letztes Jahr auch vor der ersten Behandlung gemacht. Ich habe mich gegen eine Entwicklung im Job entschieden, weil ich keine Lust auf eine Doppelbelastung hatte. Klar, ich hatte an einzelnen Tagen tatsächlich Momente, in denen ich die Entscheidung kurzfristig bereut habe. Habe mit jedem Tag wurde es besser. Und irgendwann war ich komplett entspannt. Es war mir schnurzpiepsegal, dass ich mich im Job nicht weiterentwickeln könnte. Und plötzlich hatte ich wieder richtig Spaß an der Arbeit und ich sprudelte vor Ideen und habe richtig viel gebacken bekommen. Und mit meinen Kolleginnen läuft es seitdem auch viel, viel entspannter. Ich freue mich sogar mittlerweile, wenn ich meine Kolleginnen morgens im Büro sehe. Wir lachen alle sehr viel und erzählen uns auch mehr persönliche Dinge. Früher undenkbar, weil wir alle Angst hatten, dass der andere das gegen einen verwendet. Und das alles, trotz der parallel laufenden Kinderwunschbehandlung. 

Und scheinbar, hat das alles auch mein Umfeld gemerkt: denn ich wurde dieses Jahr befördert und man stellt mir nun eine Leitungsposition in Aussicht. Ist das nicht völlig absurd? Da investiert man nicht mehr bewusst in die Karriere und fixiert sich nicht mehr drauf ... und siehe da: es passiert was. 

Wenn ich das jetzt auch noch auf meinen Kinderwunschweg übertragen könnte, wäre das natürlich klasse. Aber - wie wir das ja alles schon wissen - Urlaub und Entspannung bringen uns leider alle nicht zum Ziel. Meine Eileiter lachen mich da wohl eher aus ;-). Na ja, aber wenigstens läuft dann mal eine Sache in meinem Leben rund. Immerhin. Vorher war es ja auf ganzer Linie eine Vollkatastrophe.

Ich habe letzte Woche mit meinem Vorzyklus gestartet. Es geht Ende Mai auch wieder bei mir los. Und ganz ehrlich: ich habe so was von gar keinen Bock auf diese Behandlung. Mir sträuben sich die Nackenhaare bei dem Gedanken daran, dass ich mir demnächst wieder die ganzen Spritzen reinjagen darf. Dass ich wieder voller Hormone bin. Dass mein Bauch wieder riesig wird und ich die letzten Tage vor der Punktion am liebsten nicht mehr zur Arbeit gehen möchte. Dass ich Stimmungsschwankungen haben werde (die vermutlich noch schlimmer als zuvor sind, weil ich ja noch mehr Hormone bekomme).
ABER: keine Behandlung ist für uns momentan einfach keine Option. Ich habe ganz, ganz tief in mich hineingehorcht, ob ich das wirklich noch mal alles über mich ergehen lassen möchte. Und ja, die Antwort kam direkt und ganz klar auf mich zu und sprang mich förmlich an: ich will es noch einmal versuchen! Egal, wie ätzend der Weg zum gewünschten Ziel ist. 

Ich habe mir zwischen der letzten Behandlung und der nächsten ja einen zusätzlichen Monat Pause gegönnt. Dieser eine Monat Pause war so wunderbar und kam mir wie eine Ewigkeit vor. Ich kann allen Mädels da draußen aus tiefstem Herzen wirklich nur empfehlen, sich mal einen zusätzlichen Monat zu gönnen. Ich hätte das selber nicht gedacht. Aber ich habe den Kinderwunsch ganz weit weg geschoben, nur an wenigen Tagen eure Blogs und diverse Kinderwunsch-Foren gelesen. Und das tat so unheimlich gut, sich nicht mehr so intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen. Das Leben einfach mal wieder zu leben. Abends nicht mehr weinen zu müssen, weil ich mich wieder zu intensiv mit der Kinderlosigkeit beschäftigt habe. Es war mir auch egal, dass meine biologische Uhr sehr laut tickt. Auf diesen einen blöden Monat kommt es jetzt auch nicht mehr an. Meine Eizellen haben eh schon abgebaut. Da kommt es auf die paar Dinger, die ich im letzten Monat verloren haben mag, auch nicht mehr an.

Ich weiß noch nicht, ob ich meine nächste Behandlung hier kommentieren möchte. Im Moment sagt mir mein Bauchgefühl, dass ich das lassen sollte und keine Blogs und Foren mehr lesen sollte. Mal schauen, was mein Herz in ein paar Wochen sagt. Vielleicht schreibe ich trotzdem was und veröffentliche es einfach nicht. Mal sehen... 

Bis dahin