Mittwoch, 25. Juni 2014

Erinnerung: Die erste Eileiterschwangerschaft und die Zeit danach

Ihr Lieben,

ich hoffe so sehr, dass ich über diesen Blog auch andere Betroffene Frauen mit der Diagnose "Eileiterschwangerschaft" erreiche und hier irgendwann auch ein reger Austausch stattfinden wird. Allerdings dauert es wohl eine Zeit lang, bis man diesen Blog über die Stichworte Eileiterschwangerschaft, Bauchspiegelung, ß-HCG, Schmierblutungen, Schmerzen etc. über die Suchmaschinen Google, Yahoo & Co. finden wird.

Wie es mir nach der Diagnose der 1. Eileiterschwangerschaft erging und wie ich damit umgegangen bin, erfährt ihr in diesem Artikel.

Die Diagnose "Eileiterschwangerschaft" erreichte mein Gehirn ehrlich gesagt ziemlich unverhofft. Ich hatte mich - bis zu dem Moment der Aussprache der Diagnose durch die Ärztin im Krankenhaus - nicht mit diesem Gedanken beschäftigen wollen. Da ich ein positiv denkender Mensch bin und so gut wie nie den Kopf in den Sand stecke, bin ich bis zuletzt davon ausgegangen, dass alles gut ausgehen würde. Und dass ich "nur" einen natürlich Abgang hätte. Ich saß zusammen mit meinem lieben Mann in dem abgedunkelten Behandlungszimmer und die Ärztin versuchte sehr einfühlsam uns diese Diagnose mitzuteilen. Es war, als ob ein überdurchschnittlich schneller Fußball mit voller Wucht gegen mein Gesicht knallte und ich deshalb für einen kurzen Augenblick das Bewusstsein verliere. Eine Sekunde später drang die Information "hohe Wahrscheinlichkeit einer Eileiterschwangerschaft" dann auch in mein Gehirn. Ich fing sofort an zu weinen, obwohl ich noch nicht so recht begriffen hatte was diese Diagnose eigentlich für Konsequenzen hat. Die Frauenärztin versuchte mir in aller Ruhe die möglichen Operations-Optionen zu erklären, zusätzlich auch das Für und Wider jeder Option. Ehrlich gesagt fühlte ich mich in den ersten Minuten wie in einem Vakuum und habe die meiste Zeit nur ein "bla bla bla" wahrgenommen. Erst nach einigen Minuten hatte ich die Fassung wieder erlangt und sie musste mir alle Optionen noch einmal erklären.

Ein schlimmer Moment. Man sitzt eigentlich mit drei Leuten in einem Raum, der Mann hält einem feste die Hand. Er ist selber innerlich völlig verzweifelt, versucht aber äußerlich für mich stark zu sein. Dennoch man fühlt sich völlig isoliert, allein und im Stich gelassen. Im Stich gelassen von ... ja, von was eigentlich? Von Gott, von dem bislang gut gemeinten Schicksal? Ich kann diese Frage auch nach so viel verstrichener Zeit nicht beantworten. Egal wie groß die Liebe ist und wie lange man sich kennt. Der Partner wird niemals im Ganzen verstehen können wie man sich fühlt. Diese Gefühle können nur Frauen verstehen, die die gleiche Diagnose bekommen haben.

Es war schwierig - in dieser für mich völlig Gefühlschaotischen Situation musste ich Entscheidungen treffen und mich durch einen Wust von Unterlagen kämpfen und jede Menge Beratungsgespräche über mich ergehen lassen. Jedes Mal wurde ich gefragt, ob ich das alles verstanden hätte und ob ich mit den Behandlungsmethoden einverstanden sei. Eine absurde Situation. Am Ende konnte ich die Operation noch um einen Tag nach hinten verschieben, so dass mein Gehirn wenigstens über Nacht noch verstehen konnte, was da jetzt eigentlich passiert ist.

Ich nutzte den Abend vor der OP, um das Ganze noch einmal Revue passieren zu lassen und las mich im Netz durch unzähliche Foren. Ich saugte unendlich viele Erfahrungsberichte von anderen Frauen ganz tief in mich auf und weinte zwischendurch immer wieder. Am späten Abend war ich dann erstaunlich ruhig und reflektiert. Ich konnte - vermutlich vor lauter Erschöpfung - sehr gut einschlafen. Ich sollte am nächsten Morgen bereits um 7.30h im Krankenhaus sein und wenige Zeit später operiert werden. Aufgrund einer vorherigen Operation, verzögerte sich meine OP bis zum Nachmittag hin. Es gibt nichts schlimmeres als auf eine OP zu warten - zumal, wenn es die erste OP seines Lebens ist. Ich hatte eine unglaubliche Angst vor der OP und habe immer wieder geweint. Geweint, um das verlorene Kind, geweint um die ungewisse Zukunft, geweint um die Ungerechtigkeit, die mir widerfahren ist. Beruhigungstabletten bekam ich leider keine. Deshalb fing ich im Operationssaal bitterleich an zu weinen, mein ganzer Körper zitterte vor Erschöpfung - meine Nerven waren am Ende. Wenige Minuten später, ließ man mich zum Glück in einen tiefen Schlaf fallen.

Nach der Operation beherrschten zunächst die Schmerzen meinen Gefühlszustand. Die Schmerzen waren unerträglich. Aufgrund der zweiten OP weiß ich nun, dass die Ärzte mir bei der ersten OP sehr viel Gas in den Bauchraum gepumpt hatten und dies hat im ganzen Unterleib zu unerträglichen Schmerzen geführt. Der Metzger, ähm ich meinte natürlich der Arzt, hat mir auch den Schlauch für die Wundflüssigkeit auf eine sehr derbe Art und Weise hereingerammt, so dass ich einen überdimensionalen großen blauen Fleck hatte. Diese wunde Stelle schmerzte noch zusätzlich zu den Schmerzen im Unterleib. Viele Betroffene berichteten in den Foren, dass sie kurz nach der OP wieder gehen konnten und ganz normal gehen konnten. Bei mir war das bei der 1. OP definitiv nicht der Fall. Ich konnte erst am 2. Tag nach der OP aufstehen, weil ich so starke Schmerzen hatte, dass mein Kreislauf jedes Mal zusammengebrochen ist sobald ich es auch nur wagte ansatzweise aus dem Bett herauszukommen. Nach der Erfahrung der 2. OP weiß ich nun, das damals vermutlich alles nicht so verlief, wie es hätte verlaufen sollen. Die Schmerzen und der instabile Kreislauf trugen nicht unbedingt zu einer Verbesserung meines Gemütszustands bei. Ganz im Gegenteil: ich war richtig fertig mit den Nerven, musste sehr oft weinen und wollte ehrlich gesagt auch niemanden sehen oder mit irgendjemandem sprechen.

Jeden Tag stellte ich mir die Frage, warum ausgerechnet mir das passieren musste. Die statistische Wahrscheinlichkeit, dass eine Schwangerschaft in einer Eileiterschwangerschaft endet, liegt nur bei 1%. Ich habe noch nie im Lotto gewonnen oder geschweige denn bei irgendwelchen Gewinnspielen gewonnen oder bei anderen Dingen das große Los gezogen. Ich glaubte ehrlich gesagt auch nie daran, dass ich bei solch niedrigen Gewinnchancen wie beim Lotto, überhaupt mal das Glück von mindestens drei oder mehr richtigen Zahlen haben würde. Wie kann es dann sein, dass ich ausgerechnet hier das "große" Los zog? Was habe ich Schlimmes im Leben getan, dass es ausgerechnet mich trifft? Ist es ein Wink des Schicksals, dass ich das Thema "Kind haben wollen" vielleicht doch noch mal überdenken sollte? Bin ich vielleicht nicht dafür geeignet eine gute Mutter zu sein?

Vielleicht findet der in oder andere von euch, solche Fragestellungen an sich selbst befremdlich. Aber ich habe mich schon oft mit dem Thema "Schicksal" auseinandergesetzt und immer wieder festgestellt, dass "schlechte" Menschen ihre "schlechten Taten" irgendwann im Leben heimgezahlt bekommen. Warum sollte dies dann nicht auch auf mich zutreffen?

Die Tage vergingen. Am dritten Tag nach der Operation konnte ich - zwar gebückt, sehr langsam, und nur unter Schmerzen - wieder aufstehen und langsam gehen. An diesem Tag wurde ich auch aus dem Krankenhaus entlassen. Zuhause angelangt ging das Grübeln natürlich weiter. Ich lenkte mich mit einer TV-Dauerbeschallung und vielen, vielen Süßigkeiten ab. Essen - insbesondere zuckerhaltige Speisen - waren das einzige was mich binnen kürzester Zeit glücklich machte. Aus diesem Grund nahm ich sehr viel davon zu mir. Ich las mich durch diverse Erfahrungsberichte im Internet, insbesondere von denjenigen Frauen, die nach einer Eileiterschwangerschaft erneut - ganz ohne Komplikationen - wieder schwanger wurden und nun ein glückliches Kind in den Armen hielten. Dass es auch diese vielen anderen Berichte gab, in denen Frauen von zwei oder mehr Eileiterschwangerschaften berichteten, nahm ich zwar zur Kenntnis. Aber ehrlich gesagt, wollte ich mich mit dieser möglichen Option nicht auseinandersetzen. Ganz im Gegenteil: ich wollte daran glauben, dass die nächste Schwangerschaft auf jeden Fall richtig verläuft und der Embryo sich direkt in der Gebärmutter einnistet. Stattdessen widmete ich mich nach und nach der Trauer um mein verlorenes Kind. Nur darauf wollte ich mich konzentrieren.

Ich hatte anfangs die ganze Zeit ein schlechtes Gewissen, dass ich um ein Kind trauerte, von dem ich nur wenige Tage glaubte, dass es lebensfähig wäre. Aufgrund dieser wenigen Tage, wollte ich mir zuerst auch nicht erlauben, um dieses Kind zu trauern. War es nicht lächerlich um ein Kind zu trauern, für das man sich a) nur wenige Tage erfreute und b) eigentlich schon nach wenigen Tagen von selbst wieder Abschied genommen hatte? Aber auf einigen wirklich guten Internetseiten las ich, dass ich ein Recht darauf hatte um dieses Kind zu trauern. Zum einen deshalb, weil ich mich ja bereits schon lange vor der Schwangerschaft mit diesem Kind auseinandergesetzt habe und dort bereits Vorstellungen von meiner Zukunft mit Kind aufgebaut hatte. Zudem hatte ich bereits von Beginn der Schwangerschaft an, meine komplette Ernährung umgestellt und mich ganz bewusst auf eine Schwangerschaft eingestellt. Zum anderen aber auch deshalb, weil es da tatsächlich ein Lebewesen in meinem Körper gab! An dem Tag, wo der Schwangerschaftstest positiv ausfiel, hatte sich mein Leben bereits um 360 Grad geändert. Da gab es diese ganz konkrete Vorstellung, wie das Leben ab sofort aussehen wird. Das alles war ja kein Utopie, kein Traum - nein, denn das neue Lebewesen war ja tatsächlich da. Bei mir. Tief in mir drin. Unter meinem Herzen. In meinem Unterleib. Für ganz kurze Zeit.

Es ist wichtig, den Trauerprozess zuzulassen. Denn nur so kann man das Geschehene verarbeiten und sich auch innerlich vom Kind verabschieden.

Allen Trauernden kann ich ein Lied von Phil Collins empfehlen "Since I Lost You". Das Lied ist entstanden, als Phil Collins vom Tod des Sohnes von Eric Clapton erfahren hat. Der Text ist wundervoll und beschreibt voll und ganz meine damaligen Gefühle nach dem Verlust:



Um aus dieser nahezu depressiven Phase wieder herauszukommen, habe ich schnell wieder angefangen zu arbeiten und mich mit Freunden zu treffen. Man muss schöne Dinge tuen und sich ablenken. Denn das Leben geht weiter.

Was mich nicht umbringt, macht mich nur stärker. Es gilt: wenn es das Schicksal nicht gut mit einem meint, muss man einfach den Mund abputzen und weitermachen. Denn nach Regen kommt bekanntlich ja immer Sonnenschein.

Fühlt euch ganz feste gedrückt.

Herzliche Grüße
Lisa





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