Samstag, 14. März 2015

Zwischen schwarzen Wolken - ein kleines bisschen grau

Zwischen all den schwarzen Wolken habe ich erst lange Zeit danach wieder ein kleines bisschen grau gesehen. Und mittlerweile ist da zum Glück wieder ganz viel blau.

Dieser Post ist all denen gewidmet, die ein Sternenkind in der Fruhschwangerschaft verloren haben. 
All denjenigen gewidmet, die verzweifelt sind und Angst haben, dass sie das Licht am Ende des Tunnels vielleicht nie wieder erblicken werden. 
All denjenigen gewidmet, denen andere sagen, dass sie sich jetzt aber mal langsam zusammenreißen sollten, weil es da ja eigentlich nichts zu betrauern gibt, weil es ja noch gar nicht auf der Welt war.

Ein langersehntes und von Herzen gewünschtes Kind zu verlieren ist eine traumatische Erfahrung. 
Es zerreißt einem das Herz.
Es schmerzt.
Es stellt sich die Frage nach dem Warum und nach der eigenen Schuld.
Es zieht einem den Boden unter den Füßen weg und lässt einen wanken und kurze Zeit danach tief fallen.
Es ist unvorstellbar und deswegen fällt es dem Verstand auch so schwer das zu verstehen.
Es lässt die Welt für eine kurze lange Zeit still stehen.

Wenn es ein Geräusch wäre, gleicht der Tod eines ungeborenen Kindes einem lauten Knall, der danach zu einer langanhaltenden Totenstille führt.
Wenn ich es mit einem Ereignis vergleichen müsste, wäre es eine Atombomben-Explosion nach der jedes Leben ausgelöscht ist.

Jeden Tag hofft man, dass man dieses ungeborene Kind endlich loslassen kann, um endlich wieder normal leben zu können. 
Um endlich wieder an die Wasseroberfläche schwimmen zu können und Sauerstoff einatmen zu können. 
Aber irgendetwas hält einen fest. 
Jeden Tag versucht man durch die Dunkelheit zur Wasseroberfläche zu schwimmen. 
Aber irgendetwas oder irgendjemand hält einen immer wieder fest und zieht einen runter. 
Obwohl man im Wasser schwimmt, fühlt man sich nicht schwerelos. 
Irgendetwas liegt schwer auf den Schultern - eine bleierne Schwere, die einem fast die Luft zum Atmen wegnimmt. 
Unter Wasser ist es kalt - man friert und zittert. Und es gibt nichts was einen aufwärmen kann.
Man hat Hunger, so einen unstillbaren Hunger.
Hunger nach Dingen, die es in der Unterwasserwelt nicht gibt.
Es fehlt Wärme.
Man zittert vor Kälte.
Doch irgendwann bahnt sich die Sonne durch das Wasser.
Durch die schwarzen Wolken blitzt erst ein kleines bisschen grau. 
Und dann irgendwann sieht man auch ein kleines bisschen blau.
Man lässt los.
Man schwimmt nach oben und schafft es zur Wasseroberfläche.
Atmet auf und ein.

Ich habe den kompletten Zeitraum bis zum errechneten Entbindungstermin gebraucht, um meine Sternenkinder endlich komplett loslassen zu können. 
Ich habe sie in Gedanken über all die vermeintlichen Schwangerschaftswochen begleitet. 
Habe mir immer wieder mein Leben als Schwangere vorgestellt und was ich in meinem Wunschleben wohl zu diesem Zeitpunkt gemacht hätte. 
Für mich war es notwendig, diese kompletten Schwangerschaften in Gedanken mit meinen Sternenkindern zu durchleben. Nur so konnte ich mich von Ihnen verabschieden. 
Endgültig konnte ich mich bislang nicht von ihnen verabschieden. Aber das werde ich wohl auch nie können. Denn sie werden immer ein Teil meines Lebens sein. 
Von einem Sternenkind habe ich das Herz klopfen sehen. Es hat mir mein Herz zerbrochen, dass ich bewusst einwilligen musste, dieses Leben nur wenige Stunden später gehen zu lassen. Ich bekomme dieses Ultraschallbild auch nicht mehr aus meinem Kopf. Ich hoffe so sehr, dass ich dieses Bild einmal gegen ein Ultraschallbild mit positivem Ausgang austauschen kann. 
Lange Zeit nach DEM Ereignis habe ich oft schlecht geträumt und immer wieder kam dieses Bild mit dem klopfendem Herzen vor. 

Ja, jetzt gerade kullert mir auch wieder eine Träne über die Wange. Aber das erlaube ich mir auch.
Dennoch möchte ich euch Mut machen. Die schwarzen Wolken werden sich nach und nach verziehen. Zuerst seht ihr nur ein kleines Fleckchen grau. Aber irgendwann kommt auch der blaue Himmel wieder. Ganz bestimmt! Dass sich hin und wieder mal eine dunkelgraue Wolke verirrt, werde ich wohl nicht verhindern können. Aber das muss ich ja auch nicht.


Das Gefühl, dass es weitergeht, dass Frieden in dir wohnt.
Dass du dich selber wieder leuchten siehst.
Dass dieser Kampf sich lohnt.

Das alles gibt es nur, wenn du lebst.
Wenn du über Grenzen gehst.
Die tiefen Schläge überlebst!
- Johannes Oerding













7 Kommentare:

  1. Danke für diesen Text.
    Er drückt genau das aus was ich selbst nicht zu formulieren weiß.
    Bevor ich es selbst erlebt hatte, konnte ich mir nicht vorstellen wie die Trauer um ein ungeborenes Kind wirklich aussehen kann.
    Herzliche Grüße, Spring

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  2. Auch ich muss mich für den Text bedanken. Du hast es wirklich gut getroffen. Ich schließe mich dir aber auch an, indem ich dir zustimme, dass es besser wird. Ich brauchte auch Zeit, das ganze zu verkraften. Gerade wenn man das Herzchen hat schlagensehen.
    Die Welt dreht sich weiter, aber jeder benötigt so lange, wie er braucht.
    LG Carina ;-)

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  3. Danke!! Einfach nur und von Herzen danke.
    Ganz dicker Drücker

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  4. Genau daran knabbere ich auch seit zwei Jahren. Eine Eileiterschwangerschaft, das schlagende Herz im Eileiter zu sehen und meine Unterschrift auf dem Bogen, mit dem ich mich für den Eingriff entscheide und damit gegen unser Kind.
    Ich hoffe für uns beide das die Wasseroberfläche bald kommt und wir durch atmen können.
    Alles Liebe

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  5. Grau weiß man nur zu schätzen , wenn man vorher lange nur schwarz sah.Wahre Worte Dein Text.Hab Dank dafür!
    Gerade weil wir uns hier alle so sehr unser kleines Wunder wünschen,werden die Wunder,die auch nur kurz bei uns waren stets ein Teil unseres Lebens sein und uns begleiten.Auch wenn sie schon lange vor uns gegangen sind.
    LG,Schuschu

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