Donnerstag, 11. Februar 2016

Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen

Tja, jetzt bin ich schon wieder im Zyklus nach erfolgloser ICSI. Wie oft werde ich wohl noch in diesen Zyklus kommen? Noch ein letztes Mal oder noch viele Male?

Ich bin dieses Mal zum Glück nicht in ein tiefes Loch gefallen - so wie das letzte Mal. Ein wenig macht mir das Angst. Kommt das noch oder bin ich schon so abgebrüht? Oder bin ich nur einfach komplett in meiner Mitte und völlig gesund? Ich kann diesen Zustand gerade überhaupt nicht greifen und weiß gerade überhaupt nicht, ob ich mich im krankhaften oder im gesunden Bereich befinde.

Dieses Mal lässt mich die Migräneattacke nach erfolgloser ICSI zum Glück in Ruhe. Zum Glück hatte ich diese Problematik bereits schon vor Start der zweiten Behandlung mit meiner Ärztin besprochen. Sie meinte ja, dass die Migräne durch den rasanten Östrogenabfall nach dem Absetzen der Medikamente zustande kommt, man dem aber entgegnen könnte. Daher sollte ich mit Start der Periode auch täglich eine Tablette Progynova 21 nehmen. Und siehe da - bislang ist die Migräne nicht aufgetaucht. Ich hatte heute Morgen lediglich leichte Kopfschmerzen. Aus diesem Grund soll ich Progynova auch noch die nächsten zwei Tage weiternehmen. Dann kann ich sie aber absetzen.

Na ja, dafür hatte mich dann letzte Woche eine richtig heftige Grippe mit Fieber & Co dahingerafft. So ganz ohne Blessuren darf ich diesen negativen Versuch ja nicht abschließen, gelle?

Auch, wenn es mir (seltsamerweise) psychisch wirklich gut geht... Letzte Woche hat mich dann kurzzeitig doch die Panik eingeholt: das war jetzt unser zweiter Versuch - die Krankenkasse zahlt nur noch einen Versuch. Wie viele Versuche brauchen wir noch - wie viele Versuche bin ich bzw. sind wir bereit durchzuführen? Wo ist unsere persönliche Grenze? Wo ist unsere finanzielle Grenze?
Und jetzt ist etwas passiert, von dem ich zuvor immer gedacht habe, dass es mir nicht passieren wird. Ich bin bereit noch viele Versuche über mich ergehen zu lassen. Ich bin bereit so viele Versuche zu machen, bis ich ans Ziel gelange. Aber jetzt muss ich anfangen mich selber zu stoppen, mich vor mich selbst zu schützen! Wann ist es genug? Wo setze ich die Grenze? Wie viel kann ich wirklich ertragen? Wie viel mache ich mir vor? Werde ich es merken, wenn es zu viel ist?
Und das Schlimme ist - ich kann diese Grenzen weder sehen, spüren noch irgendwie wahrnehmen.

Das ist für mich alles überhaupt nicht greifbar. Weil ich das selber überhaupt einschätzen kann. Wie groß ist bei uns die Wahrscheinlichkeit, dass es tatsächlich klappen könnte? Niemand kann mir eine Antwort darauf geben. Auch meine Ärztin nicht.

Die Statistik unseres Kinderwunschzentrums, aber auch die des IVF-Registers, spiegelt unsere Situation gerade exakt wider. In meinem Alter, also mit 37 Jahren, muss ich im Schnitt 4 Versuche hinter mich gebracht haben, um am Ende auch tatsächlich schwanger zu werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft im 4. Versuch unter 38 Jahre liegt bei 85%. Im 5. Versuch bei ca. 92%. Im 2. Versuch sind lediglich 65% aller KIWU-Patientinnen unter 38 Jahre schwanger. Also eigentlich noch alles in der Norm. Dennoch macht man sich Sorgen, mache ich mir Sorgen. Was ist, wenn ich nach den 5. Versuch nach wie vor noch zu den erfolglosen 8% gehöre?

Wir waren heute zum Gespräch bei unserer Ärztin in der Klinik. Uns war wichtig, bereits vor der dritten Behandlung alle noch möglichen Untersuchungen machen zu lassen. Da SD, Gerinnungs-Untersuchung, Hormon-Untersuchung, Bauchspiegelung und  Gebärmutterspiegelung schon gemacht wurde, blieb jetzt nur noch die Chromosomen-Analyse. Sie meinte, dass sie bei uns eigentlich keine zwingende Notwendigkeit sieht. Hat uns dies dennoch angeboten, um auch diese geringe Wahrscheinlichkeit für eine Nicht-Einnistung auszuschließen. Von weiteren Untersuchungen hält sie zu diesem Zeitpunkt nichts, weil beide Behandlungen bislang eigentlich ganz gut gelaufen sind und sie ja nach wie vor Optimierungspotenzial sieht.

Positiv ist:

  • das Spermiogramm war auch dieses Mal haarscharf noch IVF-würdig. Aber dennoch empfiehlt sie uns weiterhin eine ICSI - insbesondere weil die KK diesen Versuch noch zahlt. 
  • Ja, die Befruchtungsrate war nicht hervorragend, aber auch nicht miserabel. Und mit dem angepassten Stimulationsplan bei der dritten ICSI kann man diese aber vermutlich noch optimieren. 
  • Es haben sich bei beiden Behandlungen noch relativ viele Eizellen befruchten lassen und über die Hälfte von diesen Eizellen hatte eine sehr gute Qualität.
Da die Krankenkassen nur noch drei Versuche bezahlen, wird den Patienten suggeriert, dass man in diesen drei Behandlungen in jedem Fall zum Erfolg kommen muss. Also entsteht ein riesiger und unnötiger Erfolgsdruck. Früher hätten die Krankenkassen wohl noch vier Behandlungen bezahlt und dies war aus medizinischer Sicht auch absolut sinnvoll und war auch für die Patienten deutlich entspannter. Der Leiter meiner Klinik setzt sich übrigens auch im öffentlichen Diskurs immer wieder dafür ein, dass die Kassen wieder vier Versuche bezahlen sollen.
Es gibt einfach Patientinnen, die 4 bis 5 Versuche benötigen. Wie in der Natur auch, gibt es für jeden keine 100%ige Schwangerschaftswahrscheinlichkeit. Fakt ist jedoch auch, dass mit jedem erfolglosen Versuch auch die Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Versuch sinkt.
Sie meinte, dass wir uns noch entspannen sollten. Sie sähe zu diesem Zeitpunkt keinen Grund, dass wir keine Erfolgsaussichten hätten. Die Behandlungsergebnisse sprechen derzeit dagegen, dass wir zu den aussichtslosen Kandidaten gehören könnten. Sie würde uns aber auch ehrlich mitteilen, wenn wir so langsam mal über eine Ende nachdenken sollten. Erst, wenn auch der dritte Versuch erfolglos enden sollte, sollen wir uns Gedanken darüber machen wie es weiter geht. Jetzt sollten wir uns aber noch nicht mit diesen Gedanken plagen. Sie meinte, dass ihre Patienten nach dem zweiten erfolglosen Versuch immer die gleichen Sorgen hätten. Und auch zurecht. Irgendwie hat mich das beruhigt, dass wir derzeit in einer typischen Krise der Kinderwunsch-Behandlung stecken. Eine Krise, die künstlich durch das Gesundheitssystem verursacht wird und die ich nicht beeinflussen kann.

Vielen Dank, liebes Gesundheitssystem. Vielen Dank, dass irgendein Depp damals entschiedet hat, dass nur drei Versuche von der Krankenkasse bezahlt werden dürfen. Danke, dass ihr vielfach so teure und lebenslange Therapie des Kettenrauchers bezahlt, der seine Krankheit selbst verschuldet hat. Aber die Behandlung meiner Krankheit, die ich trotz sehr gesunder Lebensweise nicht verhindern konnte, nur ansatzweise bezahlt.

Wie geht es weiter? Wir werden auch dieses Mal vermutlich nur einen Monat Pause machen. Und dann im nächsten Zyklus wieder mit dem Pillen-Vorzyklus beginnen. Meine Ärztin meinte, dass es keinen Unterschied macht, ob ich jetzt einen oder zwei Monate Pause mache. Wichtig sei jedoch, dass wir beide auch seelisch bereit dazu seien. Aus gesundheitlicher Sicht spräche jedoch nichts dagegen, weil beide Behandlungen absolut komplikationslos verlaufen seien. Wir entscheiden das dann Ende Februar. Die Pille besorge ich mir auf jeden Fall schon, so dass wir ganz spontan entscheiden können. Start des Vorzyklus wäre dann der dritte Tag der Periode.
Ende März hätten wir dann noch einmal einen Termin, bei dem wir die Ergebnisse der Chromosomen-Analyse besprechen. Dann möchte sie vor Start der Behandlung auch noch mal eine Hormonbestimmung vornehmen, um zu entscheiden welche Stimulationsvariante sie wählt (Gonal F und zusätzlich Luveris vom ersten Tag oder eine andere Variante).

Wie ihr seht - das Eichhörnchen ernährt sich verdammt mühselig. Es ist auf der unermüdlichen Suche nach Nüssen. Insbesondere nach den Nüssen, die es im Sommer und Herbst an geheimen Orten vergraben hat, jetzt aber nur sehr mühevoll wiederfindet. Insgesamt also sehr anstrengend. Aber - die Nahrungssuche muss weitergehen. Aufgeben ist nicht, denn dann verhungert das Eichhörnchen.

In diesem Sinne - alles Liebe!












5 Kommentare:

  1. Ach du Liebe... Ich wünschte ich könnte dir versprechen, dass der nächste Versuch klappt. Leider kann ich es nicht. Es ist mühsam. Und zwar sehr!

    Ich hoffe von Herzen, dass sich das Loch dieses Mal nicht auf tut!

    Fühl dich gedrückt.

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  2. Liebe Lisa, alles ungerecht. Wirklich alles. Das mit den Krankenkassen sowieso. Wir sind auch total benachteiligt, aufgrund gemischter Versicherungskonstellation PKV und GKV werden wir privat abgerechnet und müssen die Hälfte davon selber tragen. Glücklicherweise klappte es ja bei uns bei der ersten ICSI, dieser Versuch hat aber auch schon alleine mehrere tausend Euronen verschluckt. Sehr lohnenswerte, aber ungerecht ist es dennoch. Ich wünsche dir viel Kraft für euren nächsten Versuch und pass gut auf dich und deine Seele auf, ja? :-*

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  3. Liebe Lisa,
    Ich lese schon sehr lange Deine Beiträge mit und auch dieser Beitrag von Dir hat wieder voll ins Schwarze Getroffen ! Genau das gleiche geht mir Durch den Kopf nach zwei erfolglosen ICSI , genau das gleiche hat meine Ärztin auch erläutert und Mut gemacht. Nur leider bin ich nicht so mutig wie du , ich benötige jetzt erstmal eine längere Pause! Kennst Du das : Angst auch der letzte KK Versuch geht schief ? Was dann ? Und das mit dem Alter .. Genau die gleichen Statistiken sehe ich mir an und mir wird Angst !
    Ich wünsche Dir viel Kraft und Drücke dir auf jedenfall weiter beide Daumen.
    LG die Mitleserin

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  4. Liebe Mitleserin,
    natürlich habe ich Angst, dass auch der letzte Versuch schief geht. Und so unwahrscheinlich ist das auch nicht. Aber wenn ich mich nur auf die Angst konzentriere, mache ich mich selber nur verrückt. Bevor ich mit der Behandlung angefangen habe, war diese Situation mein Horror-Szenario. Und jetzt stecke ich mittendrin. Und es ist richtig mies. ABER: es besteht verdammt noch mal ne Chance, dass es dieses Mal klappen kann. Und falls nicht, habe ich Plan B schon bereit. Wir haben das Geld für zwei weitere ICSIs schon zusammen. Eine dritte würde sehr wahrscheinlich auch noch gehen.
    Und dann gibt es da auch noch einen Plan C... Ich habe mich gestern darüber informiert, wie man sich in unserer Stadt als Pflegeeltern bewerben kann.
    Nach zwei erfolglosen ICSIs ist mir bewusst geworden, dass ich den Weg als ungewollt kinderlose nicht ohne ein Kind verlassen kann. Mir ist klar geworden, dass ich mich von diesem Wunsch nicht verabschieden kann und will. Daher setze ich mich jetzt auch schon mit Plan C auseinander.
    Mir hilft es, dass ich all diese Optionen im Hinterkopf habe. Momentan bin ich ehrlich gesagt auch noch hin- und hergerissen, ob ich mir nicht doch eine kleine Pause gönnen soll. Aber braucht mein Körper die wirklich? Oder braucht meine Psyche eine Pause - ich weiß es nicht und bin gerade hin- und hergerissen. Aber du und die anderen Leser werdet ja bald erfahren, wie ich mich entschieden habe.
    Alles Liebe!

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  5. Liebe Lisa,

    ich habe gerade erst von Deinem letzten Versuch gelesen, es tut mir so schrecklich Leid dass es nicht geklappt hat :(
    Ich kenne dieses Gefühl leider sehr gut, die blöde Krankenkasse zahlt nur 3 Versuche, aber was sind schon 3 Versuche? Niemand von uns will 3 oder mehr Versuche machen, aber wenn man einfach nicht schwanger wird?? Ich verstehe unsere Politiker, unsere Gesellschaft da irgendwie nicht. Es geht hier um so ein essentielles Thema, für das keine von uns Schuld trägt. Wir müssten alle viel lauter und sichtbarer sein, aber irgendwie ist das Thema immer noch ein Tabu.

    Deine Einstellung gefällt mir, Du scheinst den Willen/ die Energie zu haben weiter zu machen, aber hast auch Deine Seele im Blick.
    Ich wünsche Dir von Herzen dass es endlich endlich endlich klappt beim nächsten Versuch!!
    Alles Liebe, Marie

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