Donnerstag, 25. Juni 2015

Perspektivwechsel - Die Realität hat zwei Seiten

Vor einigen Wochen habe ich tief durchgeatmet, mich ausgestreckt und darauf gewartet, dass da wieder ein Fels oder zumindest ein Brocken auf meinen Rücken fällt. Doch da kam nichts mehr herunter. Die Schwere war wie weggeblasen. 
Was war passiert? 
Wo ist die Schwermütigkeit geblieben?

Ich habe einen Perspektivwechsel vorgenommen! Mein Lebensglück mache ich nicht mehr von einem Kind abhängig. Ich habe akzeptiert, dass sich das vielleicht niemals ändern wird und Frieden damit geschlossen. 
Zudem habe ich mir bewusst gemacht, dass ich doch eigentlich ein schönes Leben habe und führe. Ich bin (fast) gesund, mein ganzes Leben liegt vor mir! Es hätte auch ganz anders sein können.

In meiner Familie sind sehr viele an Krebs erkrankt und auch daran gestorben. Als ich mir das wieder bewusst gemacht habe, hatte ich ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit. Dankbar dafür, am Leben sein zu dürfen. Dieses Gefühl hat mich unglaublich glücklich gemacht und meine zwei Fehlgeburten deutlich kleiner erscheinen lassen. Ich möchte diese Fehlgeburten nicht klein reden. Aber ich hatte verdammt noch mal auch wahnsinniges Glück, dass meine Frauenärztin bei der ersten ELSS so hartnäckig auf alle Untersuchungen bestanden hatte. Dass eine unerkannte ELSS nicht ungefährlich ist, ist schließlich bekannt. 
Aber, wenn ich vor die Wahl gestellt werden würde: keine Kinder oder die Diagnose Krebs. Ja, dann wäre die Entscheidung doch für jeden von uns eindeutig, oder? Wir würden uns doch alle für uns, für unser Leben entscheiden, oder nicht? Für mich ist die Entscheidung glasklar: ich würde mich für mein Leben entscheiden. 
Mit dieser Frage habe ich auch meinen Lieblingsmann vor einigen Wochen konfrontiert: und auch er hat sich durch diese Entscheidung mit einem Mal so viel leichter gefühlt. 

Ich würde diesen Post eigentlich sehr gerne an dieser Stelle beenden - in meinem Wunschleben. Aber leider hat mich vor wenigen Tagen eine schlimme Nachricht ereilt, die diese Theorie leider keine Theorie mehr sein lässt.
Eine liebe Freundin von uns, mitten in der Familienplanung und sich darüber wundernd, dass es nicht funktioniert, hat erfahren, dass sie das nächste Jahr vermutlich nicht mehr erleben wird. Diagnose: gestreuter Brustkrebs. 

Es ist erschreckend, wie schnell bloße Gedankenkonstrukte plötzlich sehr real werden können. 

Ich möchte euch mit diesem Post nicht runterziehen oder euer Leid kleinreden. Ganz im Gegenteil - unser aller Schicksal ist alles andere als leicht. Und ja, wir haben auch alle definitiv das Recht dazu, dies zu betrauern oder wütend darüber zu sein. 
Aber, ich möchte euch hiermit gerne in schweren Stunden zu einem Perspektivwechsel anregen und euch daran erinnern, dass unser Leben sehr kostbar ist und gelebt werden muss. 
Lasst uns das nicht vergessen.

4 Kommentare:

  1. Genau DAS habe ich immer in meiner KiWu-Zeit so auch heute gelebt: Diesen Perspektivwechsel, der eigentlich genau dann, wenn die Wolken den Horizont drohten zu verdunkeln, rettete. Der mich erdete und mich in meinem Herzen fühlen ließ wie dankbar ich für mein Leben, meine Gesundheit und alles drum und dran war und bin.
    Das sollte man auch in den dunklen Zeiten sich immer mal vergegenwärtigen. Das hast du so schön treffend beschrieben.

    Ich drück dich feste! :-*

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  2. Wirklich sehr schöne worte, die man sich öfter vor augen führen sollte. Lg

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  3. Lisa, das Schicksal deiner Freundin berührt mich sehr - und tut mir von Herzen Leid.

    GLG

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  4. Auch mir tut das mit deiner Freundin sehr leid :(

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